Theater­preis des Bundes 2021

Theater an der Ruhr

Jurybegründung

Das Theater an der Ruhr in Mülheim ist seit über vierzig Jahren ein Unikat in der Szene. Ein wahrhaftiges Theater der Zukunft, das seit seiner Gründung 1980 durch Roberto Ciulli, Helmut Schäfer und Gralf-Edzard Habben mit visionärer Kraft all jene Diskurse verhandelt, die für einen zeitgenössischen Kunstort unabdingbar sind. So versteht es sich nicht nur als hierarchiefreies Künstler:innen-Kollektiv (unter Einbeziehung aller Mitarbeiter:innen am Haus), sondern auch als ein Theater in ständiger Bewegung. Reisen zwecks kulturellem Austausch ist ein Grundprinzip des Ensembles; im Gegenzug gastieren regelmäßig internationale Künstler:innen am Haus (u.a. aus Ägypten, Türkei, Iran, Irak und den Ländern Ex-Jugoslawiens). Kulturelle Diversität und Migration (Ciulli selbst kam 1965 aus Italien nach Deutschland) waren hier somit Thema, lange bevor sich auch andere Theater damit beschäftigten. Sven Schlötcke, Geschäftsführer und langjähriges Mitglied der künstlerischen Leitung, hat dieses Programm im Rahmen des nun anstehenden Generationenwechsels verstetigt und das Theater in der postmigrantisch geprägten Stadtgesellschaft weiter verankert. Gruppen wie Anagoor aus Italien, Kumbaracı50 aus der Türkei oder Ma‘louba aus Syrien arbeiten kontinuierlich in Mülheim, das Projekt „Ruhrorter“ realisiert seit 2012 Theater- und installative Arbeiten mit Geflüchteten, während der Regisseur Philipp Preuss als neues Mitglied der künstlerischen Leitung den Kunstraum mit seinen multimedialen Arbeiten erweitert. Nicht fehlen im Theater der Zukunft darf die Debatte über die Gefährdung unserer Zukunft: In der Talk-Reihe „Hammerthaler‘s Zeit für Zukunft“ treten regelmäßig Klima-Aktivist:innen, Wissenschaftler:innen und Politiker:innen in den Dialog, um über die Rettung unseres Planeten Erde zu diskutieren. Für diese wegweisende Arbeit als Kunstraum für Diversität und gesellschaftspolitische Visionen zeichnet die Jury das Theater an der Ruhr mit dem Theaterpreis des Bundes aus.