Theaterpreis des Bundes 2019
Jurybegründung
Das Theater Thikwa ist ein echtes Künstlertheater. Sein Ensemble besteht aus lauter Charaktertypen, die mit ihren je eigenen Energien als Spieler*in, Tänzer*in, Musiker*in, Performer:in auf der Bühne stehen. Das könnte zu Chaos führen. Im Theater Thikwa führt es zu puren, eigenwilligen und schonungslos direkten Inszenierungen, die so unberechenbar sind wie das Leben selbst. Die Themen entspringen dem Alltag, drehen sich um Kommunikation, Körperbilder, Lebensentwürfe und Utopien, die mal poetisch, mal verrückt, mal zutiefst existenziell verhandelt werden – vor allem aber eines sind: niemals standardisiert. Die Spieler:innen des Theater Thikwa lassen sich in keine Rollen pressen, sie handeln und denken nicht nach Schemata. Sie praktizieren mit den Mitteln des zeitgenössischen Theaters ein freies Spiel der Heterogene. Und das hat in der heutigen Zeit politisches Potenzial. Gemeinsam mit ihren beiden Leiter:innen Nicole Hummel und Gerd Hartmann gehen die Thikwas dabei jedes Risiko ein und überwinden so das vermeintlich Unmögliche. Der im Rollstuhl sitzende Performer wird zum Protagonisten eines Tanzabends, Lovesongs erklingen nahezu lautlos per Gebärdensprache im Raum. Kein überbordendes Bühnenbild, keine opulenten Kostüme lenken von diesem Eindruck ab. Immer wieder laden die Thikwas auch Gäste aus der freien Szene ein, die als Regisseur:innen, Choreograf:innen und Performer:innen an dieser permanenten Ausweitung der Kunstzone teilhaben. Für diese in der Theaterszene herausragende Beschwörung von gesellschaftlicher Diversität bei gleichzeitiger Lust an künstlerischer Radikalität zeichnet die Jury das Theater Thikwa aus.