Theater­preis des Bundes 2019

Theaterwerkstatt Pilkentafel

Jurybegründung

In einer Seitenstraße unweit des Flensburger Hafens gelegen, blickt die Theaterwerkstatt Pilkentafel weit über die Grenzen der Stadt hinaus. Flensburg. Das bedeutet Hafenstadt. Tourismusstadt. Rumstadt. Aber auch Rückzugsstadt der Nationalsozialisten im Dritten Reich. Stadt der Profiteure von Sklavenhandel und Ausbeuterei. In langen zeitlichen Linien verfolgen Elisabeth Bohde und Torsten Schütte ihre Themen, verknüpfen Stadtgeschichte mit Weltgeschichte, Gegenwart mit Vergangen-heit. Belehren wollen sie dabei nie. Ihre Inszenierungen zeugen von Haltung, aber auch von ständigem Zweifel, der der Anfang allen Denkens ist. In ihrem kleinen Theaterraum, der einst tatsächlich eine Werkstatt beherbergte, schauen wir ins Innere der Maschine Mensch. „Von der Begierde Burgen zu Bauen“ nennt sich eine Selbstuntersuchung, „Vom Reisen in ehemalige Kolonien“ eine Positionsbestimmung, die die Kolonialgeschichte der Virgin Islands mit dem heutigen Reichtum der Hansestadt Flensburg verbindet. Die Stücke der Pilkentafel bedienen sich bei den Mitteln des Schauspiels, der Performance, des Objekttheaters und der Neuen Musik. Komplex, vielgestaltig und tastend, gleichen sie einer gemeinsamen Suche, bei der sich die Performer:innen permanent selbst aufs Spiel setzen. Als eines der wenigen freien Theater in Schleswig-Holstein engagiert sich die Pilkentafel zudem aktiv für den Ausbau der freien Szene. Auch die eigene Öffnung für den Nachwuchs steht an oberster Stelle, um die Theaterwerkstatt, deren Strahlkraft als produktiver Denk- und Verhandlungsort gesellschaftspolitischer Fragen weit über die Stadt hinaus weist, zukünftig zu einem zentralen, überregional vernetzten Produktionshaus für die freie Szene Schleswig-Holsteins auszubauen. Diese langjährige essenzielle Pionierarbeit hält die Jury für absolut preiswürdig.